Der Herzkompass
Gefühle machen unser Leben lebendig. Sie zeigen uns unseren Weg und lassen uns unsere Persönlichkeit hier auf der Erde spüren.
Wir Menschen teilen in der Regel unsere Gefühle in gute Gefühle und schlechte Gefühle ein.
Dem Gefühl allerdings ist das egal.
Es ist einfach da, ob der Kopf es will oder nicht. Manchmal versucht der Kopf das Gefühl zu unterdrücken. Ja und er schafft es sogar, Gefühle so weit wegzudrücken, dass der Mensch glaubt, er habe gar keine Gefühle mehr. Er erlebt das Leben dann nur noch als etwas trostloses, unspektakuläres und vor allem freudloses, was ihn wiederum dazu bringt das Gefühl zu haben nur noch zu funktionieren. Den Spruch: „Wird schon“…kennen viele von uns.
Mit Beginn des Lebens im Bauch unserer Mutter erleben wir viele Gefühle. Wir nehmen Sie wahr als etwas, was ganz natürlich mit dazu gehört. Wir beurteilen und verurteilen sie nicht. Wir leben mit ihnen und kommen auch so auf diese Welt. Während der ersten 2 Lebensjahre leben wir diese Gefühle ungehemmt aus. Wir schreien, wenn wir Hunger haben, weinen wenn wir uns alleine fühlen und lachen wenn wir einem netten Gesicht begegnen. Wir leben ganz in Verbundenheit mit uns selbst und glauben, der Nabel der Welt zu sein. Wir fühlen uns wohl und sind zufrieden. Herr Professor Dr. Hüther spricht in diesem Fall davon, dass wir uns als Subjekt erleben.
Warum schalten wir Gefühle aus?
Doch bei den meisten Menschen gibt es einen Wendepunkt in ihrem Leben. Das ist der Punkt, an dem andere Menschen sagen, dass das, was man fühlt, nicht richtig ist.
Da gibt es Aussagen wie:
„Mama, es ist kalt hier – Ach mein Lieber, das kann nicht sein, die Heizung ist an“.
„Ich will die Strumpfhose nicht anziehen, die kratzt. – Ach Liebes, die kann nicht kratzen. Sie ist aus Wolle und hat viel Geld gekostet.“
„Ich bin traurig – Ach was, wird schon nicht so schlimm sein.“
„Ich habe Angst – Es gibt gar keinen Grund Angst zu haben“.
„Das tut mir weh – Stell dich nicht so an.“
„Papa, ich bin gefallen und es tut so weh – Es tut nicht weh. Ist gleich wieder gut“
Viele Kinder machen in dieser Zeit die Erfahrung, dass man sie mit ihren Gefühlen nicht ernst nimmt. Kinder gehen davon aus, dass ihre großen Vorbilder schon wissen müssen, wie es wirklich ist und dass ihre Gefühle und Wahrnehmungen somit nicht richtig sind. Da Kinder zum einen ihren Eltern gefallen möchten und zum anderen diese nicht in Frage stellen wollen, passen sie sich den Äußerungen der Eltern an. In diesem Moment wird, so Dr. Gerald Hüther, das Kind vom Subjekt zum Objekt.
Kinder lernen in diesem Moment schnell ihre Gefühle eher auszuschalten als mit ihnen umzugehen. Sie lernen, dass bestimmte Gefühle unerwünscht sind („So darf man nicht denken und sein!“) und begegnen ihnen zum Beispiel mit Betäuben, Unterdrücken oder gar Vertauschen mit anderen Gefühlen. Die wenigsten Kinder lernen, dass sie Gefühle haben dürfen, aber man in einem gemeinsamen Miteinander nicht alle Gefühle ungehemmt ausleben kann.
Das Kind trennt sich von seiner wahren Persönlichkeit und passt sich mit seinen Gefühlen und Verhaltensmustern den Eltern und auch den gesellschaftlichen Normen an, in die es hineingeboren wurde.
Viele Eltern meinen es nicht böse oder sind „gemein“, denn sie haben es selbst nie anders erlebt und erfahren. Sie geben weiter, wie sie selbst mit ihren Gefühlen aufgewachsen sind und wie sie selbst gelernt haben, mit ihren Gefühlen umzugehen.
Dies alles hat jedoch seine Konsequenz.
Das unterdrücken von Gefühlen, z.B. Wut, im Kleinkindalter kann dazu führen, dass einem Menschen der Antrieb zur Veränderung fehlt. Wut ist in erster Linie eine Antriebskraft mit der Veränderungen möglich sind. Wenn alles immer nur gut verläuft, verändern wir nichts.
In dem Fall, dass Kleinkinder ihre Gefühle betäuben, kann dies später z.B. zu Süchten nach Schokolade, Alkohol oder stundenlangem Fernsehen und Spielekonsum führen.
Es wird etwas „abgetrennt“, das zum lebendigen Menschen dazugehört. Der Mensch kann sich und seine Bedürfnisse nicht mehr spüren, erleben und leben, da er sich und diese Bedürfnisse nicht mehr berühren möchte.
Gefühle verschwinden nicht…
Gefühle verschwinden nicht. Auch dann nicht, wenn sie verleugnet, unterdrückt oder ignoriert werden. Sie landen in unserem „emotionalen Rucksack“ und werden dort immer schwerer und schwerer. Das Leben zu leben wird immer schwerer und anstrengender und die Leichtigkeit geht. Manchmal sieht man dies auch in verhärmten Gesichtern und leeren Blicken. Bis dahin, dass unser Herz anfängt zu schmerzen.
Auch wenn wir alle Gefühle noch so gut und kontrolliert versteckt haben, irgendwann brechen sie einfach unkontrolliert aus.
- Kleinste Handlungen bringen uns dann an den Rand der Verzweiflung und wir schreien laut herum.
- Wir machen andere Menschen zu unseren Opfern und unterdrücken sie mit Macht und Gewalt.
- Einfache Aussagen fühlen sich wie Angriffe auf die eigene Persönlichkeit an.
- Wir fühlen uns verletzt und sind beleidigt.
- Geben anderen Menschen oder Situationen die Schuld an unserer Situation.
- Gehen in Kriege im Zwischenmenschlichen.
Wir haben es nicht gelernt, mit Gefühlen wirklich umzugehen.
Kinder als Auslöser unserer Gefühle…
Und dann bekommen wir Kinder.
Kinder, die in den ersten 2 Jahren ganz frei mit ihren Gefühlen umgehen. Diese teils mit unkontrollierter Wucht ausgelebten Gefühle können unsere gut versteckten und fast vergessenen Emotionen im Guten wie im Schlechten hervorbrechen lassen.
Auf einmal geraten wir in unsere Wut, wenn unsere Kleinen z.B. nicht das machen, was wir wollen.
Wir sind auf einmal in unserer Trauer, weil wir es z.B. nicht schaffen unsere Kinder zu beruhigen.
Aber wir sind auch in unserer Freude, weil wir so viele lustige Momente mit unseren Kleinen erleben, die uns an unsere Kindheit und Unbeschwertheit erinnern.
Auf einmal sind da wieder Gefühle, die unseren funktionierenden und mechanisch ablaufenden Alltag durchbrechen und manchmal bestimmen.
Gefühle ertragen...
Vielen Erwachsenen fällt es schwer, diese Gefühle auf einmal wieder zu spüren und vor allem Gefühle bei ihren Kindern zuzulassen.
- Wird das Kind ungeduldig, springen Eltern heute schnell ein und beschäftigen ihr Kind – das Kind lernt nicht geduldig zu sein und es hat keine Möglichkeit sich selbst etwas zur Beschäftigung zu suchen.
- Ist das Kind traurig, wird die Traurigkeit heruntergespielt – das Kind lernt nicht, Traurigkeit auszuhalten, einfach da sein zu lassen und zu erfahren, dass Traurigkeit als Gefühl einfach mit dazu gehört.
- Wenn dem Kind langweilig ist, versuchen die Eltern es mit „Dingen“ zu beschäftigen – sie nehmen ihm damit jegliche Kreativität. Am Anfang von etwas Neuem steht die Langeweile.
- Die Eltern kaufen immer neue Spielsachen – das Kind lernt nicht, sich mit dem, was es hat auseinanderzusetzen. Es braucht immer einen neuen Kick.
Doch Gefühle gehören zu unserem Leben und wollen einfach nur gesehen, angenommen und akzeptiert werden.
Der Bus der Gefühle...
Stellen Sie sich einmal einen Bus mit allen möglichen Gefühlen als Fahrgäste vor. Sie sind der Busfahrer und als Busfahrer sind sie froh, wenn alle Plätze in ihrem Bus besetzt sind. Denn dann liegt der Bus sicher in jeder Kurve.
Manchmal steht eines der Gefühle auf und möchte Ihnen einfach nur etwas mitteilen.
Vielleicht fahren sie gerade zu schnell und Sie sollten besser auf sich aufpassen.
Vielleicht übersehen Sie gerade etwas in Ihrem Leben und das Gefühl lässt Sie innehalten und spüren.
Vielleicht stehen Sie gerade in einer Situation, in der Sie mutig sein müssen.
Vielleicht stehen Sie gerade vor einer Herausforderung und müssen Entscheidungen treffen.
Vielleicht sind Sie gerade sehr wütend und die Liebe steht auf und besänftigt sie.
Alle Gefühle gehören dazu und dürfen sein!
Ganz gleich, welche Gefühle sie spüren…..Sie sind und bleiben ein wertvoller Mensch, denn der Wert eines Menschen ist losgelöst von seinen Handlungen (Kopf) und Gefühlen (Herz). Der Wert eines jeden Menschen ist gleich und immer bei 100 %.
Der Mensch ist nicht seine Handlungen. Er bestimmt sie und handelt.
Der Mensch ist nicht seine Gefühle. Er fühlt sie und entscheidet, was er lebt.
Spüren Sie einmal hinein in die Sätze: „Ich bin wütend“ oder „Ich fühle mich wütend“. Spüren Sie den Unterschied?
Wir kommen immer als vollkommene Wesen auf die Welt. Wesen, die alle Möglichkeiten in sich tragen. Was wir daraus machen, das entscheidet jeder von uns individuell.
Geschaffen wurden wir mit der Möglichkeit alle Gefühle zu leben.
Allerdings haben viele Verletzungen dazu geführt, dass wir unsere Gefühle eingesperrt haben. Der Kopf hat sich über das Herz gesetzt und kontrolliert nun, wie viel Gefühl er zulassen kann um nicht noch einmal verletzt zu werden.
So haben viele von uns verlernt liebevoll und achtsam mit ihren Gefühlen umzugehen.
Gefühle zulassen tut gut und lässt uns das Leben spüren, erleben und genießen.
Allerdings sollten wir nicht aus allen Gefühlen heraus handeln.
Ich darf wütend sein, aber darf deswegen nicht einen Stuhl durchs Zimmer zu werfen.
Ich darf liebevoll sein, aber deshalb darf ich nicht alle Menschen gegen ihren Willen umarmen.
Wenn wir unsere Gefühle zulassen, kann es eine Kraft sein:
Angst beispielweise ist etwas Wertvolles. Sie hat die Aufgabe uns zu beschützen, vor Risiken zu bewahren und unser Leben zu retten.
Angst kann uns aber auch lähmen und im Vorangehen hindern.
Viele sprechen von Angst, meinen aber Unsicherheit. Und auch diese ist wichtig, sonst würden wir uns zu oft unüberlegt in Situationen begeben.
Aus diesem Grund ist es wichtig, Gefühle wahrzunehmen, ihnen zuzuhören was sie uns sagen wollen und sie zu reflektieren.
Gefühle machen unser Leben lebendig!
Wir sind in einer Zeit, in der Gefühle wieder einen großen Stellenwert haben,
denn sie sind der Schlüssel zu uns selbst.
Wir sind nicht nur funktionierender Verstand oder Ego. Nein, erst in der Liebe und Akzeptanz auch zu unseren Gefühlen erleben wir erst Vollkommenheit und Einheit.
Verstand (Kopf) und Gefühl (Herz) gehören zusammen, wie Mann und Frau, wie Jing und Jang. Beide sind miteinander verbunden und müssen sich im Gleichgewicht befinden.
Unser herzkompass
Man sagt, das Herz ist der Raum, in dem sich unsere Gefühle befinden.
Das Herz ist wie ein Kompass, der uns den Weg zeigt. Allerdings ist es notwendig, dass wir auf diesen Herzkompass schauen, damit er uns den Weg weisen kann.
In der Hektik unserer Zeit scheint uns dies oft nicht möglich. Manchmal nehmen wir uns nicht genügend Zeit dazu und treffen dann voreilige Entscheidungen, die nur vom Verstand bestimmt sind.
Von Zeit zu Zeit ist es notwendig in die Ruhe zu gehen, zu entschleunigen, zu schauen, zu hören und zu spüren, was unser Herz, unsere Gefühle uns sagen wollen. Sie dienen dem Kopf als Unterstützung und beraten den Verstand in seinem Handeln. Umgekehrt kann der Verstand unsere Gefühle und Emotionen mit sachlichen Argumenten beruhigen und ein entspanntes Handeln fördern.
Kopf und Herz arbeiten gut zusammen. Sie sind ein gutes Team.
In Verbundenheit von Herz und Verstand zu leben ist so wunderbar, so wundervoll und so erfüllend.
Lassen Sie uns eintauchen in die Welt der Gefühle und des Verstandes um Verbindungen zu schaffen und ein erfülltes, lebendiges Leben zu leben.